Freitag, 19. März 2010

Wahl der Volkskammer vor 20 Jahren: Gewählt, um sich abzuschaffen

Das Datum ist historisch: 18. März 1990. An diesem Tag konnten die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte ihres Landes ihr Parlament, die Volkskammer, frei wählen. Ein "Triumph über Demagogie" sei die Abstimmung gewesen, sagte der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Mazière am Donnerstag während einer Feierstunde des deutschen Bundestages und würdigte sie als "Plebiszit zur deutschen Einheit."
Die Wahlbeteiligung von 94 Prozent mutet an, wie zu dunkelsten DDR-Zeiten – war in Wirklichkeit aber Signal des demokratischen Aufbruchs. Vor allem der Druck der damaligen Oppositionsparteien ermöglichte den historischen Urnengang, bei dem sich 19 Parteien und fünf Listenverbindungen zur Wahl stellten.
Das Ergebnis war eindeutig: 48 Prozent entschieden sich für die vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl unterstützte "Allianz für Deutschland". Ein klares Votum für die schnelle Einführung der D-Mark und die baldige Verwirklichung der Einheit. Dagegen kam die aus der SED hervorgegangene PDS lediglich auf 16 Prozent.

97 Prozent Volkskammer-Neulinge

Zweieinhalb Wochen später, am 5. April 1990, versammelten sich die insgesamt 409 Abgeordneten erstmals wie ihre Vorgänger im Palast der Republik zur ersten Sitzung. An ihrer Spitze stand die CDU-Politikerin und Ärztin Sabine Bergmann-Pohl als Präsidentin. 97 Prozent der damaligen Abgeordneten waren damals Volkskammer-Neulinge. Acht von ihnen – darunter Wolfgang Thierse und Gregor Gysi - sitzen noch heute im Bundestag.
Das neue Parlament unterschied sich auch in Sachen Arbeitspensum vor seinen Vorgängern: Während der SED-Diktatur hatte die Volkskammer nur zwei- bis dreimal pro Jahr getagt, um die Beschlüsse der Staats- und Parteiführung abzunicken. Dagegen stellte das letzte DDR-Parlament historische Weichen: Es beschloss den Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, den Einheitsvertrag sowie, am 23 August 1990, den Beitritt zur Bundesrepublik.

38 Sitzungen, mehr als 150 Gesetze

Insgesamt absolvierten die Abgeordneten 38 Plenarsitzungen, in denen mehr als 150 Gesetze verabschiedet wurden. Eines der "fleißigsten Parlamente in der deutschen Geschichte" sei die letzten Volkskammer gewesen, sagte de Mazière bei der Feierstunde in Berlin. Es sei zwar nicht immer professionell gearbeitet worden, "aber immer authentisch und ehrlich." Den Optimismus und die Fröhlichkeit aus dieser Zeit wünsche er sich auch heut für den Bundestag.
Die frei gewählte DDR-Volkskammer existierte letztendlich nur wenige Monate. Das Parlament war gewählt worden, um sich als einer der Wegbereiter für die deutsche Einheit selbst überflüssig zu machen. Und löste sich am 2. Oktober 1990, einen Tag vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik selber auf.

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